Vor noch einer Woche ist ein Youtube-Video viral gegangen, in dem verkündet wurde, dass Giorgia Meloni angeblich den Rücktritt Ursula von der Leyens gefordert hätte.
Die Kommentare unter dem Video zogen Vergleiche zwischen Meloni und Weidel oder Meloni und Kickl.
Auch wurde sie als die Retterin der indigenen Bevölkerung und Kultur Italiens von den selbsternannten "kritischen Denkern" im Kommentarbereich bezeichnet.
Eine Jubelstimmung.
Heute hat die Partei Melonis beim Misstrauensvotum gegen Ursula von der Leyen nicht den anderen rechten Parteien zugestimmt.
Meloni und ihre Anhänger haben es bevorzugt, Von der Leyen zu schützen. So viel also zur Glaubwürdigkeit der "eu- und migrationskritischen Heldin" von Italien.
Überraschen tut mich das nicht. Meloni ist sein Beginn ihrer Amtszeit ein U-Boot.
Italien steht migrationspolitisch keinen Millimeter besser da, als vor Melonis Antritt. Außer großem Gerede ist auch sonst nicht viel von der Kritik Melonis am EU-System übrig geblieben. Sie hat stets die EU-Linie vollumfänglich mitgetragen.
Nicht umsonst gibt es schon seit längerem den Begriff "Melonisierung" - womit das Vortäuschen rechter Politik durch propagandistische Kommunikation bei zeitgleichem Fortführen linker Systempolitik gemeint ist.
Was mich hier viel mehr stört, ist die Naivität vieler Menschen, die sich selbst allerdings als "kritische Bürger" und "Systemkritiker" bezeichnen.
Denn auch sie laufen jeder Karotte hinterher, die man ihnen vorhält.
Ganz nach dem Motto:
"Oh schaut! Meloni hat etwas Böses zu Von der Leyen gesagt. Was für eine tolle Frau und Heldin! So muss das sein!"
Aber weitere Recherche findet nicht statt und das am Ende nur das Handeln eines Politikers zählt, scheint ebenfalls keine Rolle zu spielen.
Hauptsache ein bisschen rhetorisch das eigene Weltbild bestätigt fühlen und man ist schon glücklich und fühlt sich wahnsinnig systemkritisch.
Was für ein Trauerspiel.
Ich glaube, dass ernsthaft kritisches Denken, auch gegenüber den eigenen Galionsfiguren, generell und völlig unabhängig von der politischen Einstellung eine Seltenheit ist.
Umso mehr und länger ich mir die Diskussionen im Netz ansehe, umso gefestigter werde ich in meiner Meinung, dass viele Rechtswähler keinen Millimeter kritischer sind, als Linkswähler.
Sie kommen nur durch Zufall und sozialpsychologische Umstände zu einem ähnlichen Endergebnis, wie die WIRKLICH kritisch denkende Minderheit.
Man muss mit dieser Situation natürlich trotzdem arbeiten, es bleibt nichts anderes übrig. Allerdings wird breiter gesellschaftlicher Fortschritt nur noch schwieriger, wenn viele aus dem eigenen Lager jeder falschen Selbstdarstellung offensichtlicher U-Boote völlig kopflos und euphorisch hinterherlaufen.
Meloni jeden falls ist keine Post-Faschistin, wie sie anfangs von der linken Presse genannt wurde, sondern maximal eine Systemfaschistin hinter kritischer Fassade.